Militärstraßen und Militärbahnbahn gehörten zur linksrheinischen Brückenkopfstellung von Mainz, deren Ausbau 1908 begann. Die bei Kriegsausbruch zu armierende Stellung erstreckte sich von Heidenfahrt über Wackernheim, Ober-Olm, Nieder-Olm, Ebersheim, Harxheim, Gau-Bischofsheim bis Laubenheim mit einer vorgeschobenen Stellung bei Zornheim. Dieses umfassende Verteidigungswerk mit Forts, Kasematten, Bunker, Depots und Geschützstellungen mußte mit Munition, Truppen, Verpflegung und anderen militärische Güter versorgt werden. Um eine sichere Versorgung der Anlagen zu gewährleisten, wurde eine Militär-Ringstraße und eine Feldbahn gebaut.
Am 27.03.1908 kündigte die Fortifikation Mainz den Bau einer Straße von „der zu erbauenden Ringstraße am Franzosendell bis nach dem Kesseltal“ an und gab folgende Baubeschreibung: “ …Die Straße erhält …eine Gesamtbreite einschließlich der Seitengräben von 8,50 m. Diese verteilen sich auf eine 3,50 m breite Steinbahn, ein 2,50 m breites Banket, auf welchem das Gleis für eine Feldbahn von 0,60 m Spurweite verlegt wird, ein 0,50 m breites Materialbankett und beiderseitige Gräben von je etwa 1,0 m Breite. Bei sämtlichen dammartigen Schüttungen kommen die Seitengräben in fortfall.
Aus den Zeichnungen von Quassowski, Major und Ingenieuroffizier vom Platz, gehen endgültige Grundrisse und Querschnittszeichnungen im Maßstab 1:1000 hervor. Hieraus ist erkennbar das die Militärbahn von Hechtsheim von der Ringstraße (Militärringstraße) kommend vor der rechtwinkelig abzweigenden Militärstraße abbiegt und an dieser dann nach Westen verläuft, um am Grasweg nördlich von Ebersheim sich zu gabeln in eine Bahnstrecke nach Süden Richtung Ebersheim und Zornheim und eine Bahnlinie über Franzosendell – Hechtsheimer Berg – Ober Olmer Wald – Wackernheim – Rabenkopf. Jene Militärbahn wurde im Volksmund auch „Preußebähnche“ genannt. Von Süden her verlief das Bankett mit der Bahntrasse auf der Ostseite der Ringstraße. An der Wegkreuzung gleich nördlich, der heutigen Wegeinmündung vom Heidelberg, auf Hechtsheim zu wechselte das Bahngleis auf die Westseite der Straße. Von da an führte die Bahn recht geradlinig und anschließend in einem leichten Gleisbogen auf die Grauelstraße zu. Ab dem 16.05.1908 führte die Fortifikation unter Führung von Quassowski die Verhandlungen mit dem Gemeinderat von Hechtsheim über die Führung der Bahn durch den Ort durch. Am 21.11.1908 wurde ein Vertrag zwichen dem Königlichen Gouvernement der Festung Mainz im Auftrage des Reichs- (Militär-) Fiskus, vertreten durch Quassowski, der Gemeinde Hechtsheim, vertreten durch den Bürgermeister Schmitt und die Kommisionsmitglieder Anderhub, Keim und Rosenast geschloßen. Bestätigt vom Kriegsministerium in Berlin am 13.04.1909. In diesem Abkommen wurde in 15 Paragraphen die Führung der Militärbahn durch den Ort endgültig festgelegt. Auszugsweise:
§ 1
Die Gemeinde Hechtsheim gestattet der Militärverwaltung die Benutzung der Grauelstraße und des Lindenplatzes von der Kreisstraße ab, des Geländes am Bahnhof sowie des Feldweges am Ortsrand des Schinnergrabens nördlich des Bahnhofes zur Anlage und zum Betrieb einer Förderbahn von 60cm Spurweite. Sie wird auch gegen die Anlage und den Betrieb der Bahn auf der dazwichen liegenden Strecke der Kreisstraße keine Einwendungen erheben.
§ 2
Das Gleis ist in der Grauelstraße und auf dem Lindenplatz neben die westliche Pflasterrinne derart zu verlgen, daß zwichen den Häusern und dem Raum, den die auf dem Gleise verkehrenden Transportmittel einnehmen, noch ein freier Raum von mindestens 1,00 m für den Verkehr der Fußgänger verbleibt. Am Bahnhofe kann das Gleis auf dem neuen Kanal oder auf dem Gelände daneben verlegt werden, nördlich der Bachstraße kommt es auf den Ostrand des Schinnergrabens zu liegen, dessen Profil zur Gewinnung des erforderlichen Platzes… durch Anschüttung entsprechend verringert werden kann.
§ 7
Wenn die Anlage einer elektrischen Bahn in das Dorf zur Ausführung kommen und die Kreuzung des Förderbahngleises notwendig werden sollte, so wird die Militärverwaltung die Genehmigung hierzu nicht versagen, ebenso zur etwaigen Verlegung von Gasröhren.
§ 8
Das Fahrtempo der Förderbahnzüge durch das Dorf darf einen langsamen Pferdetrapp nicht übersteigen. Das Feuerputzen auf dieser Strecke ist zu unterlassen.
§ 10
Hört das Interesse der Militärverwaltung an dem Bestehen der Förderbahn auf, so hat diese auf ihre Kosten die Schienen zu beseitigen und die Straßendecke wieder ordnungsmäßig herzustellen.
Weiterhin wurde vertraglich festgelegt, daß wegen des Bahnbaues der Schinnergraben eingewölbt wird. Eine für den Bahndienst erforderliche elektrische Leitung zur Anbringung an den Gebäuden. Die Leitung begleitete die Bahnlinie bis zum Kesseltal, um von dort aus auf direktem Weg nach Ebersheim zu führen. Die Festungsbahn fuhr dicht am Hechtsheimer Bahnhof vorbei, entlang des Schinnergrabens und über die Straße „Am Hechenberg“. Nördlich der heutigen Autobahn bog sie nach Osten ab und folgte dem Henckackerweg bis zum Heiligkreuzweg in Weisenau. Abschließend wandte sie sich vom Heiligkreuzweg ab und endete am Fort Weisenau.
Am 07.06.1910 kündigte das Kreisamt Mainz die landespolizeiliche Abnahme der Feldbahn-Ringlinie und der Verbindungsstrecke Franzosendell – Kesseltal für Samstag den 18. Juni 1910 an.
Aus gegebenen Anlässen teilte am 21.04.1911 die Fortifikation Mainz mit, daß zur Verhütung von Unglücksfällen hinsichtlich der Feldbahn an bestimmten Stellen Warnungstafeln angebracht werden sollen.
Hinsichtlich der Geschehen während der Zeit des ersten Weltkrieges finden sich keine Dokumentationen bezüglich der Feldbahn.
Die Festung Mainz überlebte den ersten Weltkrieg ohne Schußwechsel und unbeschadet. Ebenso die Festungsbahn.
Welche Aufgaben der Armierungsbahn im Falle einer Verteidigung zugekommen wären, sollen einige Zahlen verdeutlichen:
Der Festungsgürtel südlich Mainz war eine Friedens-Gerippestellung mit 10 schweren Betonbauten, die als Beschußsicher einzustufen waren. Außer dem schweren 22cm Mörser fremder Armeen, der aber aufgrund seiner Bauart und größe nur zu Belagerungszwecken eingesetzt wurde. In den später ausgebauten Stützpunkten fanden insgesamt 6 Regimenter oder 3 Brigaden Platz. Hinzu kam eine Artilleristische Bestückung von 90 90mm Geschützen, 16 schweren Batterien mit 100mm Kanone; 120mm Kanone; 150mm Kanone und 150mm schwere Feldhaubitze.
Armierungsbefehl von 1914
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Der Armierungsentwurf sah vor, durch welche Maßnahmen die deutschen Befestigungen in den Verteidigungszustand zu versetzen waren. Jetzt wurde die Friedens-Gerippestellung um Mainz ausgebaut, was bedeutete, das die Fertigstellung der Betonbauten innerhalb 30 tagen abgeschlossen sein sollten. 1914/1915 betrug der Festungsgürtel eine Gesamtlänge von 26 km.
Es entstanden folgende Betonbauten:
- 59 Infanterie Untertreträume
- 55 Wachträume
- 148 Unterstände
- 28 Artillerie Untertreträume
- 17 Munitionsräume
- 9 Artillerie Beobachtungsstände
- 1 Maschinengewehrraum
- 1 Wasserbehälter
- 318 Betonbauten gesamt
Sie gliederten sich wie folgt:
 |
I-Stützpunkt | A-Raum | M-Raum | A.Beob | MG-Raum | Inf.-Stellung |
---|---|---|---|---|---|---|
Heidenfahrt |
2 |
1 |
2 |
kein |
kein |
kein |
Rabenkopf |
3 |
2 |
1 |
kein |
kein |
kein |
Wackernheim |
4 |
2 |
1 |
kein |
kein |
kein |
Harxheimer Hof |
3 |
2 |
kein |
kein |
kein |
kein |
Schwabenheimer Wäldchen |
3 |
3 |
2 |
kein |
kein |
kein |
Essenheim |
5 |
3 |
2 |
kein |
kein |
kein |
Ober Olm |
3 |
1 |
1 |
kein |
kein |
kein |
Pariser Straße |
2 |
1 |
1 |
kein |
kein |
kein |
Nieder Olm |
3 |
1 |
1 |
kein |
kein |
kein |
Ebersheim* |
5 |
2 |
1 |
kein |
kein |
kein |
Zornheim |
12 |
4 |
3 |
9 |
1 |
kein |
Harxheim |
3 |
3 |
2 |
kein |
kein |
kein |
Gau Bischofsheim |
3 |
2 |
kein |
kein |
kein |
1 |
Bodenheim |
kein |
1 |
1 |
kein |
kein |
kein |
* Ebersheim war stärkster und taktisch wichtigster Stützpunkt mit eigener Fortifikation, alle Stützpunkte waren mit der Festungsbahn zu erreichen und zu versorgen.
I-Stützpunkt = Infanterie Stützpunkt A-Raum = Artillerieräume M-Raum = Munitionsraum
A.Beob = Artilleriebeobachtungsstand MG-Raum = Maschinengewehrraum
Baustärken und Größen
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Alle I-, A-, und M-Räume hatten die gleichen Betonstärken.
Vordere Stirnwand 175 cm |
 |
I-Raum für 2 Züge |
37,0 x 9,0 m |
Seitenwände 150 cm |
 |
I-Raum für 1 1/3 Zug |
26,5 x 10,0 m |
Hintere Stirnwand 70 cm |
 |
I-Raum für 2/3 Zug |
23,0 x 8,0 m |
Decke 80 cm |
 |
großer A-Raum |
15,0 x 10,0 m |
 |  |
kleiner A-Raum |
11,0 x 9,0 m |
Betrachtet man die Anlagen der Mainzer Brückenkopfstellung, so kann man doch wohl von einer gewaltigen Bauleistung sprechen. Aus der Friedens-Gerippestellung mit ihren 10 Betonbauten war eine beachtliche Festungsfront entstanden, welche die alten Werke von Mainz in den Schatten stellte. Um eine so umfangreiche Baumaßnahme durchführen zu können, Baumaterial an die einzelnen Baustellen zu verteilen und später auch noch alle Stützpunkte versorgen zu können, war aus damaliger logistischer sicht nichts anderes möglich das alles mit einer Festungsbahn zu bewältigen. Es gab im Mainzer Festungsgürtel insgesamt 5 an der Festungsbahn liegende Materiallagerplätze mit jeweils zwei Schuppen.
Aufgrund des Versailler Friedensvertrages mußte in Deutschland auch die Festung Mainz geschleift werden. Zuständig war die von den Alliierten eingesetzte Interalliierte Militärkontrollkommision (IMKK). Trotz der Anträge die Gleisstrecke der Mainzer Festungsbahn zu erhalten und an die Strecke der SEG in Hechtsheim anzuschließen wurde sie dennoch demontiert! Ebenso Einrichtungen die auch zivil genutzt werden konnten wie z.B. Kasemattstellungen als Unterkünfte, sah die Deutsche Regierung darin eine reine Französiche Willkürmaßnahme. Im Deutschen Reich mußte geschleift werden:
- 25 große Forts, meist verstärkt
- 33 Werke mittlerer Größe
- 1 Feste (Istein) moderne Bauweise
- 1 Feste (Mainz) moderne Bauweise
- 18 moderne Batterien, Küstenbatterien
- 800 betonierte Unterstände
- 300 km unterirdisches Telefonkabel
- 40 km Festungs-Eisenbahn
- 30 km Festungs-Wasserleitung
Das Ende vieler deutscher Festungen und damit einer Epoche des deutschen Festungsbaues läßt die Frage offen, ob sich der große Aufwand für den Festungsbau im lichte der Weltkriegserfahrungen überhaupt gelohnt hat. Die häufig vertretene Meinung, daß kaum eine deutsche Festung sich im Ernstfall bewähren konnte, also „nutzzlos“ gebaut war, läßt sich leicht wiederlegen. Gewiß haben im 1. Weltkrieg nur wenige deutsche Festungen in das Kampfgeschehen eingegriffen. Wesentlich für die Bedeutung einer Festung aber war ihr Dasein und der daraus resultierende Einfluß auf die Kriegspläne des Gegners.Â