Die ältesten Spuren menschlichen Daseins auf dem Gebiet des heutigen Ebersheims sind ein glockenförmiges Tongefäß und ein Flurname. Im Mainzer Altertumsmuseum wird unter der Inventarnummer 24.8.1910 ein mit imitierten Schnurabdrücken verzierter sogenannter <cite>Glockenbecher</cite> aufbewahrt, der im Jahre 1910 in der Nähe von Ebersheim bei der Anlage der neuen Befestigungen zutage kam. Gefäße dieses Types gehören zu einer in die Jahre um 2000 v. Chr. zu datierenden Kulturgruppe, die von Westeuropa aus über den Rhein nach Mitteldeutschland und weiter in Richtung Südosten vordringt. Es sind Gefäße eines halbnomadisch lebenden Hirten- und Händlervolkes, das auch die erste Kenntnis von der Metallgewinnung und Metallverarbeitung mit zu uns bringt.
Bei dem erwähnten Flurnahmen handelt es sich um die Bezeichnung „langer Stein“, die etwa 1,5km nördlich des Ortes zwischen Ebersheim und der Gaustraße, nachgewiesen ist. Man darf annehmen, dass dieser Name auf die Existenz eines inzwischen verschwundenen Menhirs schließen lässt.
Menhire sind große, bei uns immer einzeln aufgestellte Steinmonumente, die vermutlich aus der Jungsteinzeit oder der folgenden Bronzezeit stammen. Solche unbearbeiteten, gelegentlich bis zu zehn Meter hohen Denkmäler haben sicher kultischen Zwecken gedient oder Plätze der öffentlichen Rechtssprechung und „Thingstellen“ markiert, wenn die relativ junge Ausdruck für so weit zurückliegende Zeiten erlaubt ist. Der Flurname „langer Stein“ führt uns in etwa die gleiche Periode wie der anfangs besprochene Glockenbecher, nämlich in die Ãœbergangszeit von der Jungstein- zur Bronzezeit.
Auch die entwickelte Bronzezeit ist durch Funde aus Ebersheim belegt. Im Museum Wiesbaden liegt unter Inventarnummer 13882 ein Bronzemesser mit verziertem Griff, das wohl der Zeit um 1000 v. Chr. zuzuordnen ist. Etwas älter dürfte ein Bronzedolch sein, der um die Jahrhunderwende in die Sammlung des Mainzer Altertumsvereins gelangte. Die Klinge des schon stark angegriffenen Stückes ist durch feine, den Klingenrand begleitende Linien verziert.
Ebenfalls in die Bronzezeit gehören zwei bronzene Langspitzen, die einige Jahre vorher in der Umgebung von Ebersheims entdeckt wurden. Möglicherweise stammen sie aus dem gelichen Gemarkungsteil wie die Dolchklinge, die man „im Loh“, zwischen Ebersheim und Nieder-Olm, gefunden haben soll. Jedenfalls repräsentieren die genannten Stücke die Periode der Hügelgräber und der Urnenfelderbronzezeit, das heißt, der Zeit etwa von 1800-800 v. Chr. Während der frühen oder Hügelgräberbronzezeit wurden die Toten unverbrannt unter großen Gabhügeln bestattet. In der späten oder Urnenfelderbronzezeit ging man unter südosteuropäischen, illyrischem Einfluß zur Leichenverbrennung über. Die Knochenreste der verbrannten Toten wurden in Urnen beigesetzt, und zwar in geschlossenen Gräberfeldern. Die jeweiligen Bestattungssitte war also namensgebend für die beiden Perioden der Bronzezeit.
Die folgende Hallstatt- und latenezeit sind inder Ebersheimer Gemarkung nicht durch Funde vertreten. Ohne Zweifel haben aber auch hier in diesen Perioden Kelten gesessen, die erste bei uns siedelnde Menschengruppe, die wir mit einem Namen belegen können. Aus der Zeit der Römer, die gegen Ende des zweiten Jahrzehnts vor Christus ihre Truppen an den Rhein vorverlegten, kennen wir dagegen wieder mehrere Funde. Als Geschenk von Pfarrer Oswald, Ober-Olm, kam in Jahre 1852 ein brozener Gefäßhenkel mit Silbereinlagen in die Sammlung des Mainzer Altertumsvereins. Ein besonders interessantes Stück läuft in der gleichen Sammlung unt Nummer R 6004. Es handelt sich um einen goldenen Fingerring mit der abgekürzten Inschrift IAN (Januarii?). Recht beachtlich ist auch der Fund eines römischen Gladius, das die Hauptwaffe des Legionärs bildete. Dieser Gladius soll ebenfalls beim Festungsbau auf Ebersheimer Gemarkung entdeckt worden sein.
Römische Fundamente, von denen in einer älteren Veröffentlichung berichtet wird, mögen identisch sein mit Neufunden, die der Aufmerksamkeit von Friedrich Eckert in Ebersheim verdankt werden. In den ‚Hundertmorgen‘ am Linsenberg, der zwischen dem Ort und der Gaustrasse gelegene Flur 10, hat Herr Eckert bei vielen Einzeluntersuchungen Reste einer römischen ‚villa rustica‘ beobachtet. Fundamentteile, Bauschutt mit Ziegeln, Mörtel, Schiefer, Estrichbruchstücken usw., außerdem zahlreiche Kleinfunde weisen nach, dass hier, am Nordufer eines ehemaligen Bachlaufes, ein römerzeitlicher Gebäudekomplex gelegen hat. Die Keramik datiert diese Anlage, wohl ein Einzelhof, in das 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. Aber auch schon aus dem 2. Jahrhundert sind einige wenige Funde vertreten.
Nach dem Abzug der römischen Truppen gegen Anfang des fünften Jahrhunderts drangen germanische Stämme nach Rheinhessen ein. Zunächst gründeten Burgunder ihr durch das Nibelungenlied bekannt gewordenes Reich um Worms. Als der römische Statthalter Aetius das ihm unbequem gewordene Burgundereich des Gundahar durch seine hunischen Hilfstruppen hatte vernichten lassen (436 n.Chr.), konnte er damit die verloren gegangenen römischen Positionen nicht wiederherstellen. Den Burgundern folgten nun andere germanische Stämme, und zwar zunächst die Alemannen, dann die Franken. Seit dem Sieg des Chlodewig über die Alemannen um 496 n.Chr. gehört unser Raum fest zum Siedlungsbereich der Moselfranken. Von dieser frühfränkischen Zeit, nach dem herrschenden Geschlecht auch Merovingerzeit genannt, kündigen einige Grabfunde. Ãœber die Lage des fränkischen Friedhofs ist nichts bekannt. Man möchte ihn jedoch im oder nahe beim heutigen Ortskern vermuten.
Ein weiterer wichtiger Zeuge aus der fränkischen Zeit ist der schon vor langen Jahren in Ebersheim aufgefundene frühchristliche Grabstein, dessen fragmentarische Inschrift in zwei Lesarten gedeutet wird. Wahrscheinlich spricht der Text von einer ….lindis, der Tochter „Velandu et Thudelindi“, die in Frieden 12 Jahre gelebt hat.
Wenn auch die angeführten archäologischen Zeugnisse aus Ebersheim – gemmesen an den Funden anderer Gemarkungen – zahlenmässig dürftig erscheinen, sind sie doch als Quellen für die älteste Geschichte des Ortes sehr beachtlich. Es ist ganz sicher, daß ein wenig mehr Aufmerksamkeit für diese archäoligischen Quellen ihre Zahl bald vervielfachen könnte.
Beim Pflügen und bei anderen Erdarbeiten werden auch in Ebersheim immer wieder antike Siedlungsstellen oder Gräber angeschnitten. Man muß die dabei zutage kommenden Tonscherben und Knochen nur beachten und die Funde der Bürgermeisterei melden. Die damit verbundene geringe Belastung sollte uns die Geschichte des Heimatortes doch wohl wert sein. Von der Ortsverwaltung erfolgt dann die von Denkmalschutzgesetz vorgeschriebene Fundmeldung an die zuständige staatliche Dienststelle in Mainz.
von Dr. Bernhard Stümpel
Quelle: 1500 Jahre Ebersheim, Festschrift zur Jubiläumsfeier 1964